Österreichische Flüchtlinge in Nürnberg

Ein ganz interessanter Aspekt im Buch von Paul Dedic war noch die Dokumentation der österreichischen Flüchtlinge, welche um des Glaubens willen das Land verlassen mußten:

Es lassen sich so manche Exulantenschicksale weiter verfolgen. Besonders Nürnberg, dessen Grabsteine noch heute Zeugen sind, beherbergte „die Blüte des aus Österreich weggezogenen Adels“. Samt Bürgern, Geistlichen — bei einem 1639 hier gehaltenen Begräbnis zählte man allein 39 vertriebene Prediger! — sollen an 1000 Emigranten in der Reichsstadt Zuflucht gefunden haben. Standen auch 1629 an 175 Glaubensflüchtlinge hier beim Rat in Unterstützung, so war doch ein weit größerer Teil vermögend, zahlte wie jeder Nichtbürger ein ansehnliches Schutzgeld — bis zu 500 fl.! — verzehrte hier seine Einkünfte, wovon die Stadt ihren Vorteil hatte, und errichtete nicht selten wohltätige Stiftungen. Die Zeitgenossen wissen von den Emigranten „nur Löbliches und Gutes“ zu berichten, verläßliche Augenzeugen rühmen, daß sie „bei allem großen Verlust und ausstehender Ungemach fröhlich“ seien und „Gott um Beständigkeit bitten und ihm danken, daß sie würdig worden seien, um seines hohen Namens und heiligen Wortes willen etwas zu leiden und auszustehen“. Um ihres eifrigen Gottesdienstbesuches willen mußte 1630 die Empore der Lorenzerkirche vergrößert werden!

Nur einige Exulantenschicksale seien noch flüchtig gestreift. Als das Haupt der Exulanten galt in Nürnberg der edle und fromme Gall von Räcknitz, eine priesterliche Erscheinung. Wie er selbst täglich das Gotteswort abwechselnd in 5 Sprachen las, diente er den Seinen in Hausgottesdiensten, stärkte er die anderen Emigranten durch seine Haltung und sein Vorbild. Er lebte fern von allen auch im Exil vom Adel beliebten Repräsentationen in der Stille des von ihm in drei erkauften Gärten errichteten Hauses in tiefer Zurückgezogenheit. Die Armen schätzten ihn wegen seiner hilfreichen Barmherzigkeit als „mitleidigen und guttätigen Vater“. [Seite: 163] Selbst dichterisch begabt, trat er dem „pegnensischen Blumenorden“, der Nürnberger Dichterschule, näher und veröffentlichte seine „Haus und Hertz Musica“ usw. Der bekannteste Vers seiner Gedichte bittet um Kraft, das Exulantenschicksal zu tragen: „Ich hab’ verlassen Vaterland / um dein göttliches Worte / Mit dem Wanderstab in der Hand / Gesucht ein fremdes Orte / Verlaß mich nicht, Herr Jesu Christ / Der du doch meine Liebe bist“ usw. Seinen Tod betrauerte 1658 ganz Nürnberg.

Äußerlich sorglos war auch das Schicksal der Praunfalkhs, deren Familienbibel mit der dort eingetragenen Chronik ein Bild adeligen und edlen Exulantenlebens gibt.

Von Not und Armut aber zeugen die vor Jahren veröffentlichten Briefe der Freiin Cordula von Prankh. Sehnsucht nach der Heimat, nach der Schwester und ihren Kindern, drückende Geldnot, hervorgerufen durch die Unbilligkeit ihres Schwagers Gallenberg, der, unerreichbar in der alten Heimat, Zahlungen hinausschiebt, Demütigungen durch andere Standesgenossen, in deren Küche sie das Brot sucht, lassen sie der Schwester schreiben: „Mein Einkommen ist klein, die Ausgaben groß, der Mund will zu essen haben, ich gräme mich und weine mir schier die Augen aus.“ Wohl tröstet sie sich mit dem Gotteswort, aber die Not wird zeitweise, besonders während der Schwedenzeit, wo sie „Roggenstrudel und Sterz, der mit Inslet (Talg) abgemacht ist“, und Bettelsuppen essen muß, unerträglich, und muß doch jahrelang erduldet werden.

Daß auch im Adel nicht nur glaubenstreue, sondern auch fähige, ja die fähigsten Leute die Steiermark verlassen hatten, zeigen so manche zu Bedeutung gelangte Emigranten. Das Haus Stubenberg stellte zwei Dichter im Stile der Zeit, Georg Augustin und Otto Gall. Den 504 Seiten füllenden „himmeldurchdringenden Herzensseufzern“ usw. ist der bekannte Exulantenvers entnommen: „Meine Eltern zogen aus / Hof und Haus / sie nicht aushielt ganz durchaus; / Alles ließen sie dahinten / nur dein Wort / trieb sie fort / um das zu finden.“ Johann Wilhelm von Stubenberg trat als Mitglied der „fruchtbringenden Gesellschaft“ literarisch besonders als Übersetzer unter dem Decknamen „eines Unglückseligen“ auf. Wolfgang Ferdinand Jöbstl von Jöbstlsberg gründete als „im Lobe Gottes Nimmersatter“ [Seite: 164] im Stile des Blumenordens eine „Gesellschaft zum Lobe Gottes“. Johann Balthasar Gabelkhoven wurde erst meiningischer Regierungsdirektor, dann Präsident des Oberkonsistoriums in Gotha.

Leicht ließe sich die Anführung bedeutender Emigranten vermehren.

Häuser3

Unter den Flüchtlingen waren viele Adelige

Und wie ging es zu Hause weiter:

Das Land litt durch den Wegzug so vieler vortrefflicher, charaktervoller Menschen nie wiedergutgemachten Schaden. Durch die strenge Abschließung von den Ländern der Reformation traten Rückschritt und Erstarrung ein.

Quelle: „P. Dedic, … [digitale Version http://repertorium.at/sl/dedic_protestantismus_1930.html / gesehen am 23.06.2016.“

(kleo)

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